11 schlichten, den ganz formlosen Vortrag, in dem die Sage sich mittheilt, nicht irgend wie durch Gestaltung in seiner Integrität zu verletzen; denn wie durch den Inhalt, soll auch in der Form ein möglichst treues Abbild ihrer Quelle gewahrt werden. Der Aufzeichnende kann aber heutzutage diese Absicht um so leichter erreichen, als er nicht nur im Besitz einer ausgebildeten, der ver- schiedensten Anwendung fähigen Schriftsprache ist, sondern auch des Gegensatzes zwischen stilistisch geformter und einfacher Rede bewusst in letzterer den allein gemässen Ausdruck für die Sage erkennen wird. Von aufgezeichneten Sagen in angegebnem Sinne kann aber nicht die Rede sein, wo wie bei unsern Sagas, die mündliche Er- zählung bereits eine so ausgebildete Form erlangt hatte, wo der Aufzeichnende doch jedenfalls von einer andern Absicht geleitet ward, als der, welche heutzutage die Sagen niederschreiben lässt. Indem er sich der durch die technischen Schwierigkeiten noch ei’höhten Mühe des Aufzeichnens unterzog, musste er doch dadurch einen Zweck erreichen wollen, welcher durch mündliche Mitthei- lung allein ihm nicht erreichbar schien. Hier dürfen wir nun an- nehmen, dass dieselben Rücksichten, deren wir oben in ihrem Einflüsse auf die mündliche Erzählung gedacht, sich auch für deren Aufzeichnung geltend machten. Der Zweck jener Erzählungen war treue Ueberlieferung der Familien- und Stammgeschichten; Un- kenntniss der Schrift hatte sie dem Gedächtnisse allein übertragen, politisches Interesse und Pietät sie erhalten und vor Fälschung gesichert. Als die Schrift bekannt wurde, dauerte die Erzählung noch fort, wenn auch die Erinnerung einzelner Begebenheiten sich immer mehr auf den Kreis derjenigen beschränkte, die an ihnen ein auf Verwandtschaft beruhendes Interesse nahmen; die Treue der Ueberlieferung war durch die Form, die sie im Verlaufe der Zeit angenommen, wenigstens insoweit gesichert, als es die Prosa zu- liess. Wenn sich nun überhaupt nicht annehmen lässt, dass die Kunst des Schreibens von irgend wem ohne das Bewusstsein der durch sie erreichbaren Vortheile geübt werde, werden sie doch besonders dort gewürdigt werden, wo sie sich, einmal bekannt geworden, zu Erreichung emes von jeher angestrebten Zieles im Vergleich mit den bisher dazu angewendeten Mitteln als die bei weitem sichereren und zuverlässigeren zu erkennen geben. In Be- tracht jenes Zieles begreift es sich aber, dass der Schrift, insofern sie die Sicherung und Verbreitung der bisher nur durch das Ge- dächtniss und in ungebundner Rede Ueberliefertcn verbürgte, hier

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